NOVA/Nova Kitcar
Kit Cars mag es im Laufe der Geschichte viele gegeben haben. Doch keines
hatte eine so lange Karriere und so viele Produktionsstätten wie der
Nova Sterling – was ihn fast schon zu einem Großserienmodell machte.
Es ist schon richtig, dass die Briten generell völlig narrisch sind, was
Autos und Motorsport angeht. Aber dass man gepflegt in der heimischen
Garage an seinem Vehikel schraubt, das hatte oftmals nicht viel mit
Enthusismus zu tun, sondern eher mit finanzieller Logik. Bis in die
1970er-Jahre hinein waren Fahrzeuge, die als Bausatz vom Hersteller
kamen niedriger besteuert als fixfertige Pkw. Entsprechend boten auch
größere Firmen wie Lotus ihre Autos als Bausätze an. Um dem Gesetz
genüge zu tun, reichte es gar, wenn nur der Motor noch eingebaut werden
musste, was sehr gerne der Händler vor Ort für seine Kunden übernahm,
womit man den gesetzlichen Rahmen natürlich schon sehr dehnte.
Entsprechend schnell schob man diesem Steuerschlupfloch dann auch einen
Riegel vor. Der Keim war aber gesät, und ein neues Hobby für den
findigen Heimwerker geboren.
Das erkannte auch Designer Richard Oakes. Und nachdem es nicht mehr ums
Geldsparen ging, sondern eher ums Geld-ausgeben, konnte man ruhig etwas
heftiger werden, was Form und Funktion angeht. Nach einem etwas
rustikalen Buggy kam Oakes schließlich 1972 auf den Sportwagen-Gedanken.
Seine Firma Automotive Design & Development Ltd realisierte auf
Basis billiger Käfer-Technik eine Flunder mit durchaus cleveren Details.
Am augenfälligsten war natürlich die Art und Weise, wie man den Wagen
entert. Es gibt nämlich keine Türen. Die vordere Dachpartie mitsamt
Front- und Seitenscheiben schwenkt spektakulär nach vorne weg, was nicht
nur äußerst futuristisch aussieht. Gleichzeitig ersparte sich Oakes
somit aufwändige Türenkonstruktionen, was den Herstellungsprozess
natürlich um ein Eck günstiger gestaltete.
Der Brite beließ es aber nicht nur bei optischen Kniffen. Exakt
definierte er auch, wo das VW-Chassis zu verstärken war, knobelte
Befestigungspunkte am Rahmen aus, um den ganzen Wagen weiter zu
versteifen und er gab sogar eine Anleitung mit, wie man die
Radaufhängungen tiefer legte, damit die Optik auch wirklich passte –
dank der Drehstabfederung des Käfer war diese Aktion tatsächlich ohne
jeglichen Materialaufwand schnell und einfach zu erledigen. Dass man
dennoch nicht von einem Serienauto sprechen konnte, lag aber vor allem
in der Natur des Kit Cars begründet. Dass jeder sein eigenes Traumauto
zusammenzimmerte, und entsprechend kreativ und individuell zu Werke
ging. Kaum ein Nova glich also dem anderen, wobei es auch Unterschiede
bei der Motorisierung gab. Natürlich konnte man es bei den maximal 50 PS
starken Käfermotoren belassen. Es ließen sich aber auch Porsche- oder
Alfa-Aggregate implantieren, der Fantasie waren maximal durch die
lokalen Gesetzgebungen also Grenzen gesetzt.
Das Traumauto günstig daheim selber bauen – das zog gerade zu Zeiten der
Ölkrise Anfang der 1970er natürlich enorm. Auch in Amerika, wo man
recht schnell auf den stilistisch gelungenen Engländer kam und Oakes
regelrecht bekniete, Bausätze auch in die Staaten zu liefern. In uralter
britischer Manier – und weil er auch einfach viel zu viel zu tun hatte –
beantwortete er einfach keine Briefe aus Übersee, sodass sich ein paar
mutige Gesellen einfach in den Flieger setzten und vor Ort noch einmal
verhandelten – mit Erfolg. Und genau hier liegt auch der eigentliche
Unterschied des Nova (der in den USA aufgrund von Namensstreitigkeiten
Sterling hieß) zu anderen Kit Cars. Es gab ihn von zahlreichen Anbietern
nahezu auf der ganzen Welt. Sogar Ledl aus Niederösterreich hatte ihn
im Programm, sodass der Wagen, rechnet man alle Versionen und
Lizenzbauten zusammen, das wohl am längsten produzierte Bausatzauto der
Welt ist. Wirklich zu Ende ging es erst, als weltweit die Crash- und
Abgasnormen immer schärfer wurden und es auch die Basistechnik kaum mehr
günstig zu beschaffen gab.
Die rund 8.000 Exemplare schafften es dennoch zu Weltruhm. Sogar
Filmauftritte, etwa in „Auf dem Highway ist die Hölle los“ oder
„Condorman“ kann der Nova auf seinem Konto verbuchen, wobei ausgerechnet
der Designer selbst seine Lehre aus diesem Projekt zog und zugeben
musste, dass der Wagen wohl eher etwas zum anschauen als zum fahren war.
Eine Überstellung vom Werk in England nach Italien dürfte zum mühsamen
Unterfangen geworden sein, weswegen sich Oakes schwor, künftig bei neuen
Konzepten mehr Wert auf den Fahrer zu legen denn auf die Optik.◾️
Textquelle: Roland Scharf - motorline.cc
TRIVIA:
Im Disney-Film "Condorman" aus dem Jahr 1981 war eine modifizierte Version des Novas zu sehen.
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